Mittwoch, 2. Dezember 2015

journalistische Nachwuschsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung: Radio-Seminar in Düsseldorf


Viele Wege führen nach Rom -und in den Journalismus! Früh übt sich was ein Meister werden will, ein Sprichwort, das sich besonders Journalisten zu Herzen nehmen sollten. Ich habe mich für ein Seminar der Konrad-Adenauer -Stiftung angemeldet, und in der letzten Woche vier Tage in Düsseldorf verbracht. Radio -  so lautet das Thema des Intensivkurses. Vier Tage lang beschäftigen wir uns mit dem Hörfunk, die Trainerin ist eine freie Journalistin vom NDR. Wir, das sind 12 junge Menschen im Alter von 16 bis 18 Jahren, interessiert am Journalismus und der Neugier, neue Dinge auszuprobieren.

Donnerstag, 26.11.15: Ich fahre nach Düsseldorf. Eine Stadt, die gar nicht so weit von mit entfernt liegt, die ich aber trotzdem noch nie besucht habe. Die Jugendherberge, in der wir untergebracht sind, liegt auf der anderen Seite des Rheins, ich muss also ein paar Stationen mit der U-Bahn fahren - für ein Dorfkind wie mich eine ziemliche Herausforderung! Beim ersten Versuch nehme ich die Bahn in die falscher Richtung, komme aber doch noch gut an der Herberge an. Mein Zimmer dort teile ich mit mit einem Mädchen aus Berlin, wir verstehen uns gut, tauschen uns über unsere Erfahrungen aus. Am Nachmittag beginnt bereits der erste Theorie-Block des Seminars, die Trainerin führt uns in die Basics des Radio-Journalismus ein. Wir dürfen sowohl sie als auch den Seminarleiter duzen, es ist eine lockere Atmosphäre, schnell fassen wir Vertrauen zueinander.


















Freitag, 27.11.15: Ein Besuch beim WDR steht an. Darauf freue ich mich besonders, bin gespannt auf die Einblicke in den Fernsehjournalismus. Im Düsseldorfer Medienhafen steht das Glasgebilde, es ist das größte Regionalstudio des öffentlich-rechtlichen Senders. Die Führung bringt uns in ein Radiostudio und wir können ein Teile der Fernsehstudios durch eine große Glasscheibe von einer Galerie aus betrachten. Unten werden letzte Vorbereitungen für eine Sendung getroffen. Aber auch für uns wird es an diesem Tag praktisch: bewaffnet mit Mikrophon und Aufnahmegerät geht es in die Innenstadt zum Interviewtöne "holen". Wir wollen eine eigene kleine Radiosendung zum Thema "Weihnachtsblues" erstellen, zu der jeder von uns einen eigenen Beitrag zu einem frei gewählten Thema beisteuert. Einige entscheiden sich für Umfragen, z.B. zum Thema Weihnachtstraditionen, Sicherheit auf dem Weihnachtsmarkt oder Glühweinkonsum in der Adventszeit. Ich möchte mich mit Obdachlosigkeit in Düsseldorf beschäftigen, und wähle die Darstellungsform eines gebauten Beitrags; das heißt, ich möchte eigene Texte mit aufgenommenen O-Tönen mischen.















Eigentlich will ich dabei auch die Arbeit mit Obdachlosen beleuchten. Meine erste Anlaufstelle ist die Bahnhofsmission, dort habe ich leider keinen Erfolg: die Mitarbeiter dürfen mir keine Auskunft geben, bringen mich aber zum Bahnhofsvorplatz wo meine Interview-Reise beginnt. Ich treffe einige Punks und einen weiteren Obdachlosen, der mir im Gespräch erzählt, er habe die letzten 20 Jahre im Gefängnis verbracht - . Als nächstes fahre ich auf den Weihnachtsmarkt in die Altstadt. Dort interviewe ich zwei Pfandsammler, sowie ein paar Bettler in der Einkaufsstraße. Dort befrage ich auch einige Passanten nach ihrer Haltung zu Obdachlosen und den Einfluss der Weihnachtszeit auf ihre Geberlaune. Als es schon dunkel wird, fahre ich noch einmal zurück zum Bahnhof, hoffe, die Punker dort anzutreffen. Und tatsächlich - auf dem Vorplatz sitzt ein Mann mit Gitarre, "I wonna smoke" singt er dazu - "Was meinen Sie, sind die Drogenverdächtig?", fragt mich der alte Mann, der neben mir steht.. Und da sind sie, die Vorurteile gegen Unkonventionalität und Anderssein. In den Gesprächen, die ich an diesem Abend noch führe, erfahre ich viel über die Punksszene, vor allem aber über die Schicksale, die hinter den schwarzen Gestalten mit den bunten Haaren und Springerstiefeln stecken. Ein von ihnen, er sitzt im Rollstuhl und kann nur schwer sprechen, hat mit 14 Jahren sein Abitur geschafft, ein Studium abgeschlossen. Er hofft, an Weihnachten einmal Essen gehen zu können, wird an den Feiertagen wieder schnorren gehen.  Ein anderer ist erst 17 Jahre alt, wird bald Vater. Er hat den heiligen Abend noch nie gefeiert, wird auch in diesem Jahr wieder mit seinen Kumpels "einen saufen" gehen. Weihnachten ist für die meisten ein Tag wie jeder adere. Er ist genauso alt wie ich, und wir beide stellen diese Gemeinsamkeit überrascht fest - es sind zwei völlig unterschiedliche Lebenswelten, er wirkt so viel selbstständiger - auch in einer Weise reifer als ich. Er ist komplett auf sich allein gestellt, während ich es gewöhnt bin, immer meine Eltern im Rücken zu haben. Die Geschichten, die ich in nur vier Stunden Recherche erfahre, lassen mich nicht los. Schicksale und Menschen, die mir unglaublich leid tun, aber gleichzeitig viele neue Fragen aufwerfen. Die Offenheit der Menschen begeistert mich sehr, so viel Vertrauen und Freundlichkeit hatte ich nicht erwartet! Aber wie kann ich all die guten Töne in einem kurzen und knackigen Beitrag unterbringen? Ich habe Angst, den Geschichten nicht gerecht zu werden.




















Samstag, 28.November: Heute wird geschnitten: nach einer Einführung in das "Schreiben für's Hören", werden wir ins kalte Wasser in Sachen Technik geworfen. Ich bin vorher noch nie mit einem Schneideprogramm in Berührung gekommen, nun muss ich meine Interviewetöne schneiden, einen passenden Text schreiben, und einheitliche Atmosphäre darunter legen. Ich bin etwas überfordert, arbeite langsam. Das Manuskript, das heißt der geschriebene Text mit den ausgeschriebenen Interviewtönen, muss abgeliefert werde, und bei der Besprechung mit der Trainerin ist stellt sich heraus: mein Beitrag ist viel zu lang: fast 6 Minuten - dabei hätte ich locker eine viertel Stunde mit all den Aussagen und Eindrücken füllen können. Mein Beitrag wird gekürzt, danach geht es ans einsprechen: ein professionelles Mikrophon steht uns zum Aufnehmen unseres Textes zur Verfügung. Etwas befremdlich ist es, die eigene Stimme so klar und echt zu hören, eine völlig neue Erfahrung. Zuletzt wird das Gesagte zwischen die Interviewtöne geschnitten. Ich sitze bis 12 Uhr in der Nacht an meiner Reportage, und bin froh, sie nach anfänglichen Startschwierigkeiten doch zusammengebastelt bekommen zu haben.
Es ist der letzte Abend und eigentlich hatten wir uns vorgenommen, noch einmal in die Stadt zu fahren, entscheiden uns aber doch dazu, den Abend in einem der Zimmer ausklingen zu lassen. Es ist noch eine wunderschöne Zeit - wir verstehen uns untereinander so gut, obwohl wir uns erst seit 3 Tagen kennen. Morgens um vier gehen wir noch gemeinsam auf die Rheinbrücke - warum genau weiß ich auch nicht so genau - aber das Gefühl dort war unbeschreiblich. Eine tolle Zeit hinter uns, bleibende Erfahrungen interessante Bekanntschaften im Gepäck, leuchtet die nächtliche Düsseldorfer Skyline auf, und wir fühlen uns gut!




















Sonntag, 29.November: Nach einer kurzen Nacht hören wir uns am Morgen die fertige Radiosendung an. Unsere Trainerin hatte bis tief in die Nacht daran gearbeitet, alle Beiträge zusammen zu schneiden. Eine richtige Sendung ist entstanden, es gibt Moderatoren, Nachrichten und interessanten Themen rund um das Weihnachtsfest. Am Ende läuft Mariah Careys "All I want for Christmas" und man kann die Freude und Erleichterung in unseren Gesichtern sehen. Jetzt kann Weihnachtszeit kommen!

Hier geht es zur Seite der KAS-Medienwerkstatt, mit vielen interessanten Angeboten für Schülern, die sich für den Journalismus interessieren!

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