Sonntag, 18. Oktober 2015

tschik - Wolfgang Herrndorf (Rezension)

Langweiler und Mafia-Mongole erleben den verrückteste Road-trip aller Zeiten

  • Autor: Wolfgang Herrndorf
  • Verlag: Rowohlt Taschenbuch
  • Erschienen: 2010
  • Seitenanzahl: 254
  • Preis: 8,99 Euro (Taschenbuch)
  • ISBN: 978-3-499-25635-6

Über den Autor

Wolfgang Herrndorf (*1965) hat Malerei studiert, und zeichnete unter anderem für das Satiremagazin "Titanic. Auf seinen 2002 erschienen Debütroman "Plüschgewitter" folgte der Erzählband "Diesseits den Van-Allen-Gürtels" und 2010 der Überraschungserfolg "Tischik". Herrndorf wurde u.a. mit dem Deutschen Erzählpreis (2008), dem Brentano-Preis (2011), dem Jugendliteraturpreis (2011), dem Hans-Fallada-Preis und dem Leipziger Buchpreis (2013) ausgezeichnet. Er litt an einen Hirntumor und nahm sich am 26.August 2013 das Leben.


Inhalt

Als ob das Teenager-Dasein sein nicht schon schwer genug, die Enttäuschung in der ersten großen Liebe ausreichend deprimierend, und eine alkoholkranke Mutter reichlich anstrengend wäre, lässt sein Vater Maik in den großen Ferien auch noch ganz alleine in der großen Villa mit Pool zurück, um im Liebesurlaub mit seiner Affäre zu fliehen. Maik Klingenberg ist vierzehn Jahre alt, geht aufs Gymnasium und ist ein Langweiler; das finden nicht nur seine Klassenkameraden sondern auch das schönste Mädchen der Welt, Tatjana, das ihn nicht zu seinem tiefsten Enttäuschen nicht zu ihrer Geburtstagsparty einlädt. Nur Andrey Tschicharow, der neue in der Klasse, mit seinem exotischem Aussehen, der Alkoholfahne und dem einschüchternden Aussehen findet Maik interessant. Mit Tschicks geklautem Lada fahren die beiden zu erst zu Tatjanas Party, und dann weiter in die Ferne, mit Kurs auf die Wallachei. Raus aus der Tristesse Berlins, das Leben suchen und etwas erleben. Natürlich weiß keiner von beiden auch nur ansatzweise wo Rumänien liegt, und so kurven sie die endlosen Landstraßen der deutschen Provinz entlang. Dabei treffen sie auf Isa, das Mädchen von der Müllkippe, und Fritz, den Weltkriegsveteran der sie in einer Geisterstadt mit einem Gewehr beschießt, oder die dicke Sprachtherapeutin, die den Feuerlöschen auf Tschicks Fuß fallen lässt, nachdem sie mit dem Lada eine Böschung heruntergebollert sind. So absurd und völlig aberwitzig ihre Reise auch ist, sie beschert Tschick und Maik den besten Sommer ihres Lebens. Zwei Jungs, die unterschiedlicher nicht sein könnten, begeben sich auf den verrücktesten Road-trip aller Zeiten, und finden tiefe Freundschaft zueinander.

"'Du siehst aus wie 'n Schwuler, dem sie über Nach die Einfahrt vollgekackt haben. Soll ich dich wohin fahren oder willst du lieber noch ein bisschen mit dem Wasser spritzen?' Er grinste sein breites Russengrinsen. 'Steig ein, Mann.' Aber natürlich stieg ich nicht ein. Ich war ja nicht völlig verrückt. Ich ging nur kurz hin und setzte mich halb auf den Beifahrersitz, weil ich nicht so auffällig in der Einfahrt rumstehen wollte." (S.82)

Persönliche Meinung

Es sind zwei völlig verschiedene Lebenswirklichkeiten, die aufeinander prallen: Maik sitzt in der Einöde aus Sehnsucht nach Tatjana, Langeweile und grenzenloser Enttäuschung in der Luxusvilla seiner Eltern fest, und Tschik, der dubiose Mongole aus der Hochhaussiedlung in Hellersdorf, hat einen Bruder in der Russen-Mafia und einen geklauten Wagen. Mit dem wollen sie eigentlich nur 'in den Urlaub fahren, wie normale Leute', und erleben dabei den aufregendsten Sommer ihres Lebens. Beim Fahren auf der Autobahn, dem Benzinklau an der Tankstelle oder auf der Flucht vor der Polizei wächst Maik über sich hinaus, ihn packt die Abenteuerlust, und beide wünschen sich dass ihre Reise niemals endet. Aber der Zusammenprall mit dem Schweinelaster zieht Tschik und Maik aus dem Verkehr. Polizeirevier, Krankenhaus und Gerichtsverhandlung folgen, aber an den unvergesslichen Erlebnissen und ihrer Verbundenheit kann nichts mehr etwas ändern. Maik, der Antiheld,  Loser der Schule und Versager, hat durch Tschick zu leben gelernt.
Beim lesen habe ich die ganze Zeit auf den tieferen Bedeutung der Reise, der Begegnungen und der Geschichte gewartet, ich wollte wissen wer Isa von der Müllkippe wirklich ist, warum Fritz wahrlos auf Menschen schießt und ob aus Maik und Tajana noch ein Paar wird. Aber es gab keine tiefere Sinngebung, und das ist gut so. Es ist eine Geschichte von der Spontanität des Lebens, kurzweilig urkomisch und voller Sehnsucht nach Freiheit.
"Tschick" wird mittlerweile auch an deutschen Schulen im Deutschunterricht gelesen. Ich halte das Buch ideal für Teenager, es ist modern, die angesprochenen Probleme alltagsnah, und die Sprache nah am Jugendjargon.

Herrndorfs Erfolgsroman wird derzeit verfimlt, und kommt voraussichtlich am 15.09.2016 in die Kinos. Ein ideales Buch für einen actiongeladenen, rasanten Kinder- und Jugendfilm!



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