Montag, 8. Februar 2016

Tagebücher des Victor Klemperer - Nachwort

1933 - 1945: 12 Jahre, 6 Bücher und ein bedeutendes Stück deutscher Geschichte. Eine Reise durch das dunkelste Kapitel der deutschen Vergangenheit an der Seite eines Menschen, der die Bedingungen dieser Zeit beispielhaft miterleben musste. Ein Tagebuch, das Welten öffnet und Bewusstsein schafft.
Victor Klemperer ist Professor, Philologe, bedeutender Intellektueller der Zeit, vor allem aber ist er Jude. Er notiert seine Erlebnisse bald schon mit dem Ziel der späteren Veröffentlichung, ist sich der Bedeutung seiner Aufzeichnungen schnell bewusst. Er riskiert damit nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das derer die er in seinen Notizen erwähnt. Aber es ist gerade das Schreiben und die Leidenschaft für Literatur, die ihn am Leben hält. Er lebt weil er schreibt, und er schreibt, weil er lebt.

Klemperer verliert durch die Nazis sein Hab und Gut, den Beruf, ja, auch seien Würde - nicht aber seine Liebe zur Sprache. Er sieht sich in der Verantwortung, das was er erlebt an die Nachwelt weiterzugeben, notiert aufmerksam und fast akribisch die Eigenheiten der Zeit, die Sprache und Propaganda der Nazis und seine Nöte. Von den öffentlichen Beleidigungen abgesehen, wird ihm erst sein Auto, dann sein Haus, und letztlich sein Selbstbestimmungsrecht entzogen. Er lebt in Judenhäusern, leidet Hunger, arbeitet in Fabriken und flüchtet nach der völligen Zerstörung Dresdens nach Süddeutschland. Das Tagebuch von 1945 ist, auch wenn es nur die Monate Januar bis Juni umfasst, das packendste, ergreifendste und spannendste Buch: die Flucht scheint unwirklich wie ein Actionfilm, gar utopisch für meine Vorstellungskraft. Klemperer, der alte gebrechliche Mann rafft all seine Kräfte zusammen und marschiert Kilometer für Kilometer in eine ungewisse Zukunft. Die Angst um sein Tagebuch scheint dabei zeitweise größer als die um sein Leben.

Klemperer schreibt mit der Feder eines Philologen, d.h. anspruchsvoll, herausfordernd und wundervoll literarisch.
Seine Tagebücher aus dem dritten Reich sollen für alle Zeit mahnend für die Umstände des Terrors stehen, und an das Durchhaltevermögen eines einzelnen stellvertretend für das vieler erinnern.
Nach Kriegsende traten Eva und Victor Klemperer der KPD bei und engagierten sich beim Aufbau der DDR. Von 1947 bis 1960 lehrte er an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Jahr 1950 trat er als Abgeordneter des Kulturbundes der Volkskammer der DDR bei und wurde ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Nach dem Tod von Eva Klemperer im Jahr 1951 heiratete Klemperer ein Jahr später die 45 Jahre jüngere Germanistin  Hardwig Kirchner, die nach Klemperers Tod an der Herausgabe seiner Tagebücher mitwirkte. Victor Klemperer starb am 11. Februar 1960 im Alter von 78 Jahren. Seine Grabstelle befindet sich auf dem Friedhof Dölzschen. Hadwig Klemperer starb 2010 in Dresden. Klemperer veröffentlichte die "LTI- Notizbuch eines Philologen" im Jahr 1947 und die "Geschichte der französischen Literatur im 18. Jahrhundert" in den Jahren 1954 & 1966. 
Victor Klemperer, 1954

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