Samstag, 13. Dezember 2014

Rezension - Zwei Leben (Samuel Koch & Christoph Fasel)

Samuel Koch verunglückte vor laufenden Kameras und beschreibt sein Leben vor und nach dem folgenschweren Unfall
  • Autoren: Christoph Fasel & Samuel Koch
  • Verlag: adeo
  • Erschienen: April 2012
  • Preis: 17,99 Euro
  • Seitenanzahl: 208 (mit Fotos)


Über die Autoren

Samuel Koch "schrieb" seine Biographie mit Hilfe des Journalisten, Autors und Medienwissenschaftlers Christoph Fasel. Er ist Doktor der Germanistik, besuchte die Henri-Nannen-Schule und schreibt für den Stern, die Bild-Zeitung und die Zeitschrift Eltern.


Inhalt

Es ist der 4. Dezember 2010 und Fernsehdeutschland verfolgt gebannt die letzte "Wetten, dass..." Sendung des Jahres mit Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker. An diesem Abend soll eine ganz besondere Wette den Zuschauern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz den Atem rauben: Der 23-jährige Samuel Koch, langjähriger Turner und Schauspielstudent will fünf unterschiedliche, auf ihn zufahrende Autos überwinden; mit einem Vorwärtssalto und auf fast einen halben Meter hohen Stelzen. Soweit der Plan, aber beim dritten Fahrzeug gelingt ihm sein Kunststück nicht so wie geplant: er kommt für eine Nanosekunde auf dem Dach auf, und setzt seinem bisheriges Leben von einer Sekunde auf die andere ein jähes Ende. Hinter dem Steuer saß sein eigener Vater. Einige Hundert Zuschauer in der Halle und ein Millionenpublikum vor dem Fernsehern sind live dabei.
Samuel Koch ist seit diesem Unfall vom Hals abwärts gelähmt, ist Tetraplegiker. Er verbrachte einige Zeit in Klinik und Rehabilitationszentrum in der Schweiz, ist dem Tod von der Schippe gesprungen. In seinem Buch beschreibt er den langen Weg in einen halbwegs normalen Alltag, sein plötzliches Leben in der Öffentlichkeit und im Medienrummel, und wie ihm sein Glaube und seine Familie in seiner heutigen Situation helfen, nicht zu verzweifeln; vor allem aber lernt der Leser den Samuel vor dem Unfall kennen: Einen beliebten, unbefangenen und extrem sportlichen jungen Mann, für den sein Körper und das Training alles bedeuteten. Der Unfall hat ihn zu einem sehr nachdenklicher, vom Schicksal gezeichneter Vollpflegebedürftigen gemacht. Trotzdem: Er kämpft sich zurück ins Leben, hat sein Schauspiel Studium wieder aufgenommen und ist voller Hoffnung für die Zukunft; auch wenn er nur langsam Fortschritte macht und des Öfteren Rückschläge einstecken muss. Aber er macht das Beste aus seiner Situation, und schaut nach vorn, eben typisch Samuel!


"Da stehe ich nun im gleißenden Scheinwerferlicht, eingerahmt von Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker. Über 10 Millionen Fernsehzuschauer können mich sehen, hier in der Düsseldorfer Messehalle sind es 4300 Augenpaare , die auf mich fixiert sind. Es ist die 191. "Wetten, dass..." -Sendung. Michelle stützt mich, um ruhig zu stehen brauche ich diese Unterstützung heute Abend durchaus. Der Grund dafür: ich bin unförmig ausgerüstet - 42 Zentimeter größer und 9,5 Kilo schwerer als sonst. Mein Bodenkontakt begrenzt sich auf zwei ein-Euro-Münzen-große Flächen. Wenig später passiert der schreckliche Unfall." 




Persönliche Meinung

Was für ein bewundernswerter Mensch! Samuels Einstellung gegenüber seinem Schicksal und seinem neuen Leben sowie seine positive Ausstrahlung sind bemerkenswert! Er nimmt den Leser mit in die dunkelsten Stunden seines Lebens und bewegt damit tief. Gefangen im eigenen Körper; gerade er, für den sein Sport alles war, kann heute nur den Kopf drehen und minimal seinen rechten Arm bewegen um seinen fast 200kg schweren Rollstuhl zu steuern. Aber trotz allem was ihm passiert ist, strahlt er eine so positive Einstellung zum Leben aus. Beim Lesen kamen mir meine eigenen Ärgernisse im Alltag unglaublich banal vor.
Samuel hat sich mit seinem Schicksal abgefunden aber will seinen Zustand so nicht annehmen, sondern arbeitet hart an einer Verbesserung, er ist eine Kämpfernatur. Beeindruckend finde ich auch, wie sehr ihn seine Familie und seine Freunde begleiten und stützen. Natürlich nehmen auch Michelle Hunziker und Thomas Gottschalk Anteil an seinem Leidens- und Lebensweg: mit einem Vorwort Gottschalks wird auf dem Buchcover geworben. Von diesen leider nur zwei Seiten war ich allerdings etwas enttäuscht, mir hat Hunziker Nachwort deutlich besser gefallen. (Aus dem Unfall haben jedoch beide ihre Konsequenzen gezogen, sie gaben die Moderation der Sendung auf)
Außerdem gefällt mir das Titelbild an sich sehr gut, es zeigt nur Samuels Kopf und lässt zunächst nicht auf sein Schicksal schließen und stellt ihn als normalen jungen Mann dar.
Die Schilderung seines Lebens vor dem 4.Dezember 2010 ist jedoch etwas langwierig, was das Buch bis dahin eher zäh erscheinen lässt. Auch ist der Schreibstil stellenweise holprig, von einem promovierten Germanisten hätte ich besseres erwartet. Insgesamt ist Samuels Geschichte aber sehr bewegend und tief beeindruckend gestaltet, auch durch die vielen Einschübe von Schilderungen und Eindrücken von Freunden, Familie und Pflegern.


In der aller letzten "Wetten, dass...?" Sendung trat Samuel als Gast auf, um nicht zuletzt seinen neuen Film "Honig im Kopf" unter der Regie von Till Schweiger zu präsentieren. Auch seine eigene Stiftung will er aufbauen: Bei all der Aufmerksamkeit und dem medialen Interesse ist es Samuel extrem wichtig, dass auch an all diejenigen Gelähmten, die nicht in der Öffentlichkeit stehen wie er, gedacht wird, und appelliert an die Gesellschaft, den Blick für sie zu schärfen.
Man könnte jetzt mit Fug und Recht sagen: Selbst schuld, wer sich in Gefahr begibt kommt darin um! Und ja, Samuel Koch hat freiwillig, wenn auch mit etwas mulmigen Gefühl bei "Wetten, dass..." mitgemacht, aber trotzdem -entgegen einiger anderer Kritiken- erschüttert mich seine Geschichte zutiefst, und ich finde nicht, dass sein Buch bloß als ein Teil einer inszenierten Medienkampange daherkommt. Natürlich gibt es hunderte Para- und Tetraplegiker in Deutschland, die ein solches Schicksal erleiden müssen, doch Samuel Koch nutzt seine Prominenz aus und gibt Ihnen eine Stimme.


Ich werde mir seinen neuen Film auf jeden Fall ansehen und wünsche Samuel alles Gute für seine berufliche und vor allem gesundheitliche Zukunft!








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